Wolfsverwandlung

 


Wolfsverwandlung ist der bei allen Völkern verbreitete Glaube,

der Zauberei die Macht zuschreibt,

die Gestalt hehlen und wandeln zu können.

Zaubererleute pflegen auch in Salzburg in Wölfen sich zu bergen.1

 

Das Thema der Verwandlung eines Menschen in einen Wolf, begegnet uns in Märchen, Mythen und Sagen. Es ist in ganz Europa verbreitet und weist auf Reste schamanisch totemistischer Wurzeln der alteuropäischen Bevölkerung.

 

Vor allem zur Weihnachtszeit sollen sich Frauen und Männer in Wölfe verwandelt haben. Das ist ein deutlicher Hinweis auf ehemalige Jahreskreis Rituale unserer Ahnen, deren Spuren wir vor allem noch im Brauchtum der Berchtenläufe im Bundesland Salzburg finden. Die Maskenträger verwandeln sich dabei in Tiere mit Hörnern, in Bären und in Vögel mit langen Schnäbeln. Alte  Berichte erwähnen, dass früher auch Wolfsmasken getragen wurden.

 

Weitere Spuren der Wolfsverwandlung finden wir im Lungau / Bundesland Salzburg. Hier sollen vier Brüder gelebt haben, die sich laut Sagenüberlieferung in Baumstrünken verbergen und als Wölfe umherstreifen konnten. Sie kamen nur selten von den Bergen ins Tal, waren Brüder einer Familie und kannten geheimnisvolle Salbenrezepte, um ihre Gestalt für einige Stunden zu verwandeln.Ignaz von Kürsinger berichtet: Die Tochter des Staudingerhofes in Steindorf, nach der der Gerichtsdiener von Moosham fahndete, war früher Sennin auf der Staudinger-Alm im Twengerthale, wo sie vom Zauberer Jackel und den Wölfen, auch schreckbaren Zauberern, öfters besucht, und in der heimlichen Kunst der Zauberei und Geisterbannerei Unterricht empfing. 2

 

In den abgelegenen Tälern Salzburgs lebten die Nachfahren der alteuropäischen Bevölkerung, die den Alpenraum schon seit der Jungsteinzeit besiedelte. Ihre religiösen Glaubensvorstellungen galten der Verehrung einer Muttergöttin, mit ihren heiligen Tieren.

 

Die Familiensippen benannten sich nach einer mütterlichen Ahnfrau, von der sie ihre Abstammung herleiteten. Waren es Illyrer, die von späteren Siedlern wie Kelten, Slawen und Römern verdrängt wurden? Gewiss ist, dass im Zuge der Christianisierung und der damit verbundenen Inquisition, Menschen mit vorchristlichen Glaubenstraditionen verfolgt, gefangen genommen und in großer Zahl als Hexen und Zauberer hingerichtet wurden.

 

Das Konzil von Toledo verbot im siebten Jahrhundert totemistische Zeremonien, Menschen die Tierköpfe aufsetzten und sich in wilde Tiere verwandelten, wurden verurteilt. 3

 

Aus dem Mooshamer Archiv im Lungau ist folgende Notiz bekannt:

Auf die in der Linnitz oder Weißpriach sich aufhaltend groß und kleineren Wolfen möchte von hieraus (Moosham) eine Straiff vorgenohmen werden. 4

 

 Totemismus und Wolfskult in Europa

 

 

 

Totemismus bedeutet eine verwandtschaftliche Beziehung mit einem Tier, einer Pflanze, einem Stein oder auch einem Gestirn zu haben. Barbara Walker berichtet von irischen Stämmen, deren Väter Wölfe waren. Sie trugen Wolfsfelle und benutzten Wolfszähne als Heilungsamulette. 5 In Südtirol galt der Glaube, mit einem umgehängten Wolfszahn würde ein Pferd nie müde, einem Kind würde er das „Zahnen“ erleichtern. 6

Das ist interessant, denn in Mauterndorf im Lungau wurde im Gelände der Kirche Sankt Wolfgang ebenfalls ein Wolfszahn gefunden. Überdeckte der Heilige Wolfgang hier einen ehemaligen Kultplatz der Göttin Diana? Keltische Völker die den Wolfskult kannten, verehrten Diana, als Herrin der wilden Tiere.

 

Die Mythen vieler Völker beziehen sich auf die Abstammung von einer nährenden Tiermutter. Die Römer kannten eine Göttin, die als Heilige Wölfin Lupa, in einer Höhle verehrt wurde. Sie soll laut Legende die Zwillingsbrüder Romulus und Remus, die Begründer der Stadt Rom, gesäugt haben.

 

Romulus und Remus / Maria Saal

 

Bei den Südslawen finden wir ebenfalls Spuren eines Wolfskultes, sie kannten den Brauch, ein neugeborenes Kind durch ein Wolfsfell zu ziehen, um seine Geburt von einer Wolfsmutter abzuleiten. 7 Auch in der Türkei und in Frankreich wurde eine Wolfsgöttin verehrt.

 

Der Schamane Don Pedro Guerra Gonzales, berichtete 2008 vom schamanischen Wissen seiner Ahnen, die in Peru bestimmte Pflanzen verwendeten, um sich in ein Tier zu verwandeln: Meine Großmütter, meine Großväter und meine Onkel hatten die Fähigkeit des "shape-shifting" und konnten sich in wilde Tiere verwandeln. Sie waren in der Lage im Körper eines Raubtieres zu kämpfen und zu jagen. Ich weiß auch, welche Pflanzen man dafür nehmen muss. 8

 

In einer spannenden Sage aus dem Salzkammergut wird von einer weisen Altbäuerin erzählt, die ebenfalls noch die richtigen Pflanzen kannte, um mit Wölfen zu kommunizieren: Vor gar nicht langer Zeit gab es im Mondseeland nicht nur braune Bären, sondern auch Wölfe. Sie lebten im Eisloch im Wald unter der Drachenwand und holten sich dann und wann ein Schaf von der Weide.

Als die Wölfe tagelang das abgelegene Bauernhaus des Hochsenners belagern, greift die alte Bäuerin zu einem ungewöhnlichen Mittel, das den Jungbauer vor eine große Herausforderung stellt.

Als es schier nicht mehr zum Aushalten war, winkte die Altbäuerin dem jungen Bauern. „Du mußt mit den Wölfen reden“, riet sie ihm. Sie holte aus ihren Kittelfalten ein Leinensäckchen, schüttete trockene Kräuter und Beeren in den Steinmörser und zerstampfte sie zu Staub. „Geh aus der Tür, wirf dich mit den Armen zu Boden und mach ein gutes Gesicht.“ Der Bauer nickte. Die Altbäuerin staubte ihm die Kräuter auf die Zunge, öffnete die Tür, und der Bauer ließ sich halbtot vor Angst, nach vorn auf den harten Schnee fallen. Er hob sein Gesicht, zog eine freundliche Fotze und sagte: „Grüß euch, Wölfe.“ Da warfen sich die Wölfe auf die Pfoten und antworteten: „Grüß dich, Hochsenner.“ Vor lauter Staunen vergaß der Bauer die Angst. Er fragte die Wölfe höflich, warum sie gerade seinen Hof in so großer Zahl beehrten. Sie müßten doch wissen, daß er nur ein kleiner Waldbauer sei und selbst mit den Seinen Winters Hunger leide. Die Wölfe nickten höflich und hielten die Schnauzen in den würzigen Rauch. Wild sei ihnen in diesen harten Tagen im Wald genug zugefallen. Brot hätten sie gern! Da nickte auch der Bauer und holte einen riesigen Laib aus Kornmehl, das im Rauchhaus getrocknet wurde. Die Wölfe kamen herzu, jeder erhielt einen Schnitt, nahm ihn artig in die Pfote und biß davon ab. Bald schmatzte und schnalzte es in der Runde, und die Wölfe leckten sich zufrieden ihre Schnauzen. „Dank dir, Hochsenner“, riefen sie und peitschten mit den Schwänzen. „Pfüat dich, Bauer.“ „Pfüat euch, Wölfe“, sagte der Bauer und sah den letzten Wolf zwischen den Tannen verschwinden. Bevor er die Schwelle übertrat, steckte er das letzte Brot in den Mund und sprach wieder wie ein Mensch. Die Hausleute wischten sich den Angstschweiß ab, die Bäuerin holte einen Krug Most, und die Kinder ließen wieder ihre Zapfenpferde galoppieren. 9

 

Der Wolfssegen

In Südtirol wurde der Wolfs Segen als Bann - und Schutzmittel gegen reißende Tiere gebetet. Ob damit nur Wildtiere gemeint waren, oder auch Menschen, die sich im Zuge ihrer Ritualbräuche in Tiere verwandelten? In Luttach ist der Priester bis gegen 1900 in der Christnacht vor die Kirche getreten und hat seine bannenden Worte in alle Winde gerufen. 10

 

 1 – Fischer Johann, Masken und rituelle Androgynie in Salzburg im 17. Und 18. Jhdt.,in ÖZVK, Bd. XX, Gesamtserie BD. 69, Wien 1966, S 2

 2 – Kürsinger Ignaz von, Lungau, Ober`sche Buchhandlung, Salzburg 1853, S 169

 3 - Walker Barbara, Das geheime Wissen der Frauen, Verlag Zweitausendeins, Frankfurt am Main 1993, S 1169

 4 – Kürsinger Ignaz von, Lungau, Ober`sche Buchhandlung, Salzburg 1853, S 487

 5 - Walker Barbara, Das geheime Wissen der Frauen, Verlag Zweitausendeins, Frankfurt am Main 1993, S 1170

 6 - Fink Hans, verzaubertes Land, Tyrolia verlag Inssbruck-Wien 1983, S 138

 7 - HDAG Bd. XI, S 604

 8 - Geseko von Lüpke, Altes Wissen für eine neue Zeit, Kösel-Verlag, München 2008, S 164

 9 – Kittel Erika, Höhlensagen, Trauner Verlag Linz 1970, S 184 / 186

10 - Fink Hans, verzaubertes Land, Tyrolia verlag Inssbruck-Wien 1983, S 138

 

 

 

 

 

 

 

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