Frühlingsritual Kranzlreiten in Weitensfeld

 

Wann das Kranzelreiten das erstemal gepflegt wurde, verrät keine Urkunde.

 

Sicher bedeutet dieses Fest das jubelnde Einholen der geschmückten Maibraut,

 

die im kommenden Sommer viel Glück und Brot gewähren soll.

 

Mathias Maierbrugger

 

 

 

     

Bilder vom Kranzelreiten in Weitensfeld / Gurktal 16.Mai 2016

 

Die Sage vom Kranzlreiten zu Weitensfeld In der ländlichen Stille und Abgeschiedenheit des oberen Gurktales liegt Weitensfeld. Am unteren Ende des Marktes erhebt sich ein Brunnen, an dem eine aus Holz geschnitzte Mädchenfigur mit einem breitkrempigen Hut steht. Der Sockel trägt neben der Jahreszahl 1522 die Inschrift: „Der Jungfrau vom Thurnhof“.  

 Hölzerne Brunnenjungfrau 1950

 

Diese Statue, die schon des öfteren erneuert wurde, stellt der Sage nach die Stammutter der Weitensfelder dar. Als nämlich vor Jahrhunderten die Pest in Kärnten wütete, blieben in Weitensfeld nur drei Bürgersöhne und das Burgfräulein des nahen Schlosses am Leben. Da sie nicht wußte, wen von den dreien sie heiraten sollte, veranstaltete sie einen Wettlauf und versparch, dem Sieger die Hand zu reichen. So erhielt der schnellste sie zur Gemahlin. Zur Erinnerung daran findet heute noch zu Pfingsten das Kranzelreiten in Weitensfeld statt, an dem die ganze Bevölkerung Anteil nimmt. Schon am Sonntag reiten die Weitensfelder, an ihrer Spitze der Bürgermeister, das eine Jahr nach Zweinitz, das andere nach Altenmarkt, um den Nachbarort zum Feste zu laden. Am Montag findet dann das Kranzelreiten statt, dem ein Wettrennen von drei jungen Burschen vorangeht. Der schnellste holt sich den Kranz von der schöngeschmückten Mädchenstatue und bekommt noch einen Preis, aber auch die anderen gehen nicht leer aus, und der letzte erhält ein Büschel Schweinsborsten obendrein. Man erzählt sich von Weitensfeld, daß dieser Brauch nicht abkommen dürfe. Als vor langer Zeit einmal das Kranzlreiten unterlassen wurde, habe man in der Nacht wildes Pferdegetrappel gehört und in der Früh noch die Spuren von vielen Hufen gesehen.1

 

Der Brauch des Kranzlreitens in Weitensfeld hat sehr alte Wurzeln, die Jungfrau vom Thurnhof ist eine Nachfolgerin der regionalen Landschaftsgöttin des Gurktales.

 

 

Die ungeschmükte Brunnenfrau von Weitensfeld

 

Eine geheimnisvolle weiße Frau mit einem Schlüsselbund kommt in den Sagen von Kärnten öfter vor. Sie wohnt auf Bergen, in Höhlen oder in einem verwunschenen Schloss, das nur zu gewissen Zeiten sichtbar ist. Dort hütet sie Schätze, die sich im Gestein als Goldadern zeigen, aber auch in Truhen oder Fässern verwahrt sind. Wenn Menschen ihr begegnen, stellt sie ihnen Aufgaben und prüft ihren Mut und ihre Ehrlichkeit. Wer beherzt handelt, die Gunst der glücklichen Stunde erkennt und ein Gespür für das richtige Maß hat, den belohnt sie reichlich. Beim Steinofen, einer Felswand in Pisweg, soll sie früher oft gesehen worden sein.

 

Die weiße Frau im Steinofen Der Vater von Großmutters Godl, so erzählt ein Mädchen aus Pisweg, hat einmal unterhalb des Steinofens Schafe gehütet. Wie er so auf der Wiese saß, hat es auf einmal Sand auf ihn herab geworfen. Er schaut hinauf, da steht eine weiße Frau droben.

 

Einmal hat ein Faßbinder dort Holz für Reifen gehackt. Da hat es geschrien:„Binder, Binder, Binder!“ Und wie er verwundert umsieht, erblickt er auf demselben Steinofen eine weiße Jungfrau. Sie rief ihm zu: „Komm herauf und mach an meinen drei Fässern die Reifen!“ Der Steinofen war nämlich ein verwunschenes Schloß. Wie er hinaufgekommen war, fand er ein großes Tor, das führte in den Stein. Drinnen standen in einem schönen Gemach die drei Fässer. Die Jungfrau sprach:„Jetzt mach mir die Reifen!“ Er begann zu arbeiten und war bald damit fertig. Da sagte sie:„Zum Lohn kannst du jetzt aus jedem Faß eine Faust voll Geld nehmen.“ Er ließ sich das nicht zweimal sagen und wollte dann gleich wieder hinunter steigen, wurde aber von ihr belehrt:„Du darfst nun jede Nacht kommen und dir von jedem Faß eine Faust voll nehmen. Das war jetzt ein Leben für den armen Binder! Einmal aber hat er von jedem Faß zwei Fäuste voll genommen. Als er bei der Tür hinaus war, tat es einen „Jammerer“, die Tür ging zu und er konnte die Fässer nie wieder finden.2

 

 

Der Steinofen in Pisweg

 

Der Erlöser in der Wiege Oberhalb der Säge zu Pisweg erhebt sich eine hohe Felswand. Droben soll eine mit Gold gefüllte Truhe stehen, die von einem großen Hund bewacht wird. Unweit der Säge stehen zwei mächtige Fichten. Wenn ihre Stämme einst zu Brettern zersägt sind, wird aus ihnen eine Wiege gezimmert. In dieser wird das Kindlein liegen, das dazu ausersehen ist, den Schlüssel zu finden, der die Truhe sperrt. Dieses Kind wird die Schätze gewinnen. Ein in der Nähe arbeitender Knappe ging eines Abends nach Hause und sah an jener Felswand zwei hell erleuchtete Fenster. Er trat verwundert näher und erblickte vor der Wand eine weißgekleidete Frau, die hielt einen großen Schlüsselbund in der Hand. Sie streckte ihm die Schlüssel entgegen. Er rührte sich aber nicht, weil es ihm nicht geheuer schien. Da wandte sie sich weinend von ihm, warf den Schlüsselbund weit weg und verschwand auf Nimmerwiedersehen. Also muß sie warten, bis jenes Kind die Schlüssel findet und sie erlöst.3

 

Hinter der weißen Frau die in einem Stein wohnt, steht die lokale Muttergöttin des Gurktales. Archäologische Funde von Figurinen aus der Jungsteinzeit erbrachten den Beweis, dass die Menschen weltweit ihre Abstammung von einer göttlichen Mutter herleiteten. Jede Region hat Berge, Hügel, Quellen und Flüsse, die weibliche Erscheinungsformen zeigen, in denen die Menschen die Göttin selbst verkörpert sahen. So entstand der Glaube an die Herkunft der Kinder aus Höhlen, Steinen, aus hohlen Bäumen und aus dem Wasser. 

 

In Weitensfeld ist die weiße Jungfrau ebenfalls mit dem Leben spendenden Wasser verbunden. Der Brunnen auf dem sie steht, bildet das Zentrum des Frühlings- Brauchtums des Dorfes. Dort versammelt sich auch die Bevölkerung des ganzen Tales um mitzuerleben, wie die Brunnen Jungfrau vom Sieger des Wettlaufes geküsst wird. Im Nachbarort Glödnitz hat sich die uralte Tradition einer hölzernen Brunnenfrau ebenfalls erhalten, wie der liebevoll gestaltete Brunnen Platz vor der Kirche zeigt.

 

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Brunnenfrau in Glödnitz vor der Kirche

 

Zwischen Zweinitz und Gurk, gab es laut Sage einen heidnischen Brunnen, bei dem aus einer Felsspalte Wasser floss: Am Proseksteine, einem Bergvorsprung im Gurktale, zeigt man den Sitz einer „hadischen Jungfrau“ in den Felsen gehauen, von der Größe einer Tischplatte Hier sitzend, hatte sie einst den auf der Wiese unten an der Gurk arbeitenden Mädchen zugesehen. Sie war so groß, dass die  Füße in das Wasser der Gurk hinunter, der Kopf bis an den Gipfel des Berges reichte. Weiter westwärts von dieser Stelle wird ein „heidnischer Brunnen“ gezeigt, der auch das „Jungfernbründl“ heißt, und bei dem es nicht ganz geheuer zugehen soll.4  

 

Die Göttin ist in der Landschaft selbst anwesend. Bei den Kelten war sie die Herrin des Brunnens, die das Leben spendende Wasser verkörperte. Sie ist die Riesin beim Prosekstein, deren Kopf den Gipfel des Berges bildet, ihre  Füße reichen hinunter bis in die Gurk. Im benachbarten Wimitzgraben bestand dieselbe Vorstellung von einem weiblichen, felsigen Körper, denn auch bei den Rausöfen soll eine Riesin gesessen sein, die ihre Füße in der Wimitz badete:

Eine junge Frau zog einst am Johannistag bettelnd durch das Gurktal, beim Prosekstein fand sie eine offene Tür im Felsen und fand darin einen kostbaren Schatz. Sie füllte Gold und Edelsteine in ihre Schürze, eilte hinaus und vergaß dabei ihr Kind mitzunehmen. Als sich der Felsen nach genau einem Jahr öffnete, fand sie das Kind, doch als sie es an ihr Herz drückte, soll es tot gewesen sein.5

 

Sagen von Bergen, die sich öffnen und schließen, gibt es mehrfach in Österreich. Die Symbolik dahinter weist auf Plätze der Ahnen, die dort im Schoß der Erdmutter auf ihre Wiedergeburt warten. Frauen die schwanger werden wollten, tranken vom Wasser der Quelle des heidnischen Brunnens, um von der Göttin eine Ahnenseele zu empfangen und übers Jahr einem Kind das Leben zu schenken.

 

 „Fatschenkindl“ in einem Glaskasten am Seitenaltar der Filialkirche von Pisweg

 

Die helle, lichte und freundliche Seite der Göttin zeigt sich besonders im Frühling, wo sie als mädchenhafte Jungfrau die Heilige Hochzeit mit einem Mann aus dem Volk feiert. Sie verkörpert die sich wandelnde Jahreszeit, die zu Frühlingsbeginn auf den Kärntner Bergen gefeiert wurde, um die stärker werdende Sonne zu begrüßen.

 

Die Pfingstsonne hat besondere Kraft und wird mit Freuden begrüßt. Zeitlich am Pfingstmorgen ziehen daher im Gurk- und Metnitztale Burschen und Mädchen auf eine Anhöhe, beide von einer anderen Seite. Die jungen Leute, die sich in den Strahlen der aufgehenden Pfingstsonne auf der Almhöhe treffen, sind auf ein Jahr füreinander bestimmt. Mit den zu spät kommenden Nebenbuhlern wird Schabernack getrieben.6

 

Ein weiteres Frühlingsritual im Gurktal war das Ranggeln, das an Orten einstiger Quellenverehrung stattfand. Auf der großen Wiese bei der Philippikirche in der Nähe von Pisweg, konnten die Burschen ihre Stärke, Geschicklichkeit und Kraft messen. Die Sagen berichten in Kärnten mehrmals von der Verunreinigung der Heilquellen durch die Schuld junger Leute, worauf das Wasser versiegte und an anderer Stelle wieder hervor getreten sei. Das ist ein Hinweis auf die Christianisierung dieser Plätze, die den Bau von Kapellen und Kirchen rechtfertigen sollte. Der Glaube an die Leben spendende Quellen- und Brunnenfrau sollte damit unterdrückt und beendet werden.   

 

Heilibrunn

Unter dem Philippikirchlein ob Pisweg, floß früher eine heilkräftige Quelle aus dem Boden. Es war Philippikirchtag. Vom Wein erhitzte Burschen begannen zu raufen. Stühle, Gläser und Flaschen zerkrachten, zuletzt blitzten Messer auf und es entstand eine wilde Stecherei. Dann brachte man die Blutenden zur Quelle beim Philippikirchlein und wusch ihnen dort die klaffenden Wunden. In selbiger Zeit versiegte die Heilquelle. Viel weiter unten „im Berg“ kam der Heilibrunn später wieder zum Vorschein.7

 

 

 Kleine Filialkirche von Pisweg

 

 

 1 - Franz Pehr, Kärntner Sagen, Verlag Johannes Heyn, Klagenfurt 1974S 43/44

2  - Georg Graber, Sagen und Märchen aus Kärnten, Leykam, Verlag Graz 1944, S 153

3 -  Georg Graber, Sagen und Märchen aus Kärnten, Leykam, Verlag Graz 1944, S 154 / 155

4 - Leander Petzold, Sagen aus Kärnten

5 -  Mathias Maierbrugger, Kärtner Sagen, Verlag Johannes Heyn, Klagenfurt 1982, S 148/149

6 -  Georg Graber, Volksleben in Kärnten, Leykam Verlag Graz 1934, S 278

7 -  Georg Graber, Sagen und Märchen aus Kärnten, Leykam, Verlag Graz 1944, S 308

 

 

 

 

 

 

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