Die Wassermutter vom Gardasee

  

Weibliche Steingöttin im Museum von Riva del Garda

 

Der Anblick der weiblichen Menhir Statuen im Museum von Riva del Garda, im Sommer 2017, ließ mein Forscherinnen Herz höher schlagen. Doch die geheimnisvollen Steinfrauen mit den sorgfältig eingravierten Wellenlinien, gaben das Geheimnis ihrer einstigen Bedeutung nicht so schnell preis. In einem Informationsfilm des Museums berichtet ein männlicher Wissenschaftler, dass man nicht so genau wisse, was die Steine bedeuten und darstellen. Gefunden wurden sie in Arco, einer Ortschaft am nördlichen Ende des Gardasees.   

 

Aus dem Sagenschatz des grün blau schimmernden Gardasee erfahren wir von Garda, der Königin der Nymphen und von Engardina, der Königin eines Zwergen Volkes. Garda soll eine wunderschöne Nymphe gewesen sein, die sich bei einem schattigen Maulbeerbaum in der Sonne kämmte. Sie streichelte mit dem Kamme und den Händen ihr wallendes Haar, das sie soeben an einer klaren Quelle gewaschen hatte und nun in der Sonne zum Trocknen ausbreitete. Ein weisses, am Rand mit Gold und Purpur besticktes Linnenkleid bedeckte ihren schönen Körper, den eine Binde um ihre jungfräulichen Hüften noch deutlicher hervorhob.1

 

Diese Sage enthält wertvolle Hinweise über die Eigenschaften der Göttin, die einst am Gardasee verehrt wurde. Als Nymphe dem wässrigen Bereich zugehörig, ist Garda die Königin aller Wasserwesen. Das Kämmen ihrer langen Haare deutet auf ein erotisches Ritual, das von den jungsteinzeitlichen Kulturen im Sommer rund um den See gefeiert wurde. Der Liebespartner der Wassergöttin ist Sarca der Flussgott, der sich bei Arco mit ihr vereint, wo er in den Gardasee mündet. Dort war für die Menschen der frühen Pfahlbaukulturen ein besonderer Platz, ein heiliger Ort, wo auch die Menhir Statuen gefunden wurden.

 

Flussmündung bei Arco

 

Eine weitere Sage erzählt von einer Zwergen Königin, die dem Gardasee ihren Namen gab. Sie soll ein Mädchen mit langem, blauem Haar, mit feinem Gesicht, mit himmelblauen Augen und mit von Gold besetzten Kleidern gewesen sein. 2 Ihre Heimat war ein von hohen Bergen umgebenes Tal mit einem kleinen See in seiner Mitte. Dort wohnte ein Volk von Zwergen, dessen Prinzessin und Königin sie war. Als sich ein junger Wassergott in Engardina verliebte, warfen sich beide eng umschlungen in die fließenden Bergquellen und als sie im Gardasee ankamen, soll sich sein Wasser verfärbt haben: Von der schönen holden Engardina bekam der See den Namen „Garda“ und die blaue Farbe, wie sie kein anderer See hat. 3

 

 Morgenstimmung am Gardasee im Sommer 2017

 

Im  Gebirge des Engardin, dem Garten der En, der Ana, lebte ein (Zwergen) Volk, das nach matriarchalen Traditionen eine Wassergöttin verehrte. Dort entspringt auch der Fluss Sarca, der auf seinem langen Weg durch die Schweiz nach Italien fließt. In Arco teilt er sich und mündet bei Torbole in den Gardasee. Die Sagen weisen hier ganz deutlich darauf hin, dass Garda eine Berg- und Wassergöttin zugleich war, denn die Namensilbe gar, car, sar bedeutet Fels oder Stein und ena, ona, ana ist ein Wasserwort.

 

Eine Landkarte im Museum von Riva del Garda zeigt das heilige Schoßdreieck der Göttin, in dem einst die Steinfrauen, die Wassergöttinnen aufgestellt waren, um sie genau an dieser wichtigen Stelle zu verehren.

 

 

Waren die sorgfältig eingravierten Linien an den Steinfiguren Wasserwellen, die zum Messen von Wasserständen dienten? Im Verlauf der Jahreszeiten, im Zyklus von Ebbe und Flut wurden diese genau beobachtet, ihre Zahl weist 13 und 18 auf. Vermutlich wurden die Steine zu bestimmten Zeiten auch vollständig überflutet und ihr abgeflachter Kopf verschwand ganz im Wasser. Bei niedrigeren Wasserständen im Frühling, tauchten sie langsam wieder auf, was ein wunderschönes Bild vom Erscheinen der Göttinnen, gewesen sein könnte.

 

 

Weibliche Steingöttinnen im Museum von Riva del Garda

 

Die christliche Symbolsprache nahm die vorchristlichen, weiblichen Traditionen eines Ortes auf und führte sie weiter. Das ist auch in den Kirchen rund um den Gardasee gut zu beobachten. Die goldenen Kleider der betenden Gottesmutter in Riva del Garda, in Limone und in Torbole sind auffallend schön. Das betonte Dreieck im faltenreichen Kleid weist auf den fruchtbaren Schoß der ehemaligen Wassergöttin, die neues Leben hervor bringt.  

 

   

    Gottesmutter Maria in Riva del Garda, Limone und Torbole

 

Betrachten wir den Gardasee in seiner Gesamtheit, können wir uns gut vorstellen, dass frühere Kulturen ihn von den Höhen der umliegenden Berge als eine Wassergöttin wahrnahmen. Sahen sie eine Frau mit breiten Hüften, einer Brust und einem übergroßem Arm, den sie hoch hinauf streckt? Ihr Herz könnte in Isola del Garda, ihre Brust in Manerba, ihr Schoß in Sirmione bei den heißen Schwefelquellen lokalisiert werden. Oder sahen sie etwas ganz anderes, wie etwa eine Wasserfrau mit einem langen Hals ohne Kopf, ähnlich den neolithischen Göttinnen Statuetten?

 

Karte vom Gardasee

 

 

1 – Lenotti Benedtto, Gardasee – Sagen, Vita Veronese 1959, S 25

2 - Lenotti Benedtto, Gardasee – Sagen, Vita Veronese 1959, S 97

3 - Lenotti Benedtto, Gardasee – Sagen, Vita Veronese 1959, S 99

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Kommentar schreiben

Kommentare: 0