Die Gründungslegende
Agnes, die Tochter des Kaisers Heinrich des Vierten, stand einst mit ihrem Gemahl, Leopold III., später der Heilige genannt, am achten Tage nach ihrer Hochzeit auf dem Söller der markgräflichen Burg auf dem Kahlenberg und sie sprachen miteinander über die Gründung eines Klosters; sie wußten aber nicht, wo sie es bauen sollten. Plötzlich kam ein heftiger Windstoß, der riß der Markgräfin den Schleier weg und trug ihn fort; sie sahen nicht wohin. Agnes war über den Verlust sehr traurig, denn es war ihr Brautschleier. Leopold suchte ihn wochenlang weit in der Runde, er konnte ihn aber nicht finden. Da gelobte er, dort ein Kloster zu bauen, wo der Schleier gefunden werde. Acht Jahre später jagte Leopold im Walde etwa eine Stunde weit von seiner Burg; und als er dem argen Gebell seiner Hunde nachging, fand er im Dickicht auf einem Holunderstrauch den Schleier seiner Gemahlin wieder. Wie durch ein Wunder war er noch ganz unversehrt. Da erinnerte sich Leopold an sein gegebenes Wort und erbaute an dieser Stelle ein Kloster. Es lag bei der neuen Burg, die der Markgraf auf dem Kahlenberg (dem heutigen Leopoldsberg) errichtet hatte; und deshalb erhielt es den Namen Klosterneuburg.
Noch heute sieht man in dem Kreuzgange des Stiftes Klosterneuburg in einem Glaskasten ein Stück des Holunderstrauches, das in Gold gefaßt ist, und man sieht auch den Schleier der Markgräfin. Auch wird da eine kostbare Monstranz in der Form eines solchen Strauches gezeigt, mit Blüten aus Perlen und darüber ist ein Schleier geworfen. Zu Füßen der Monstranz kniet neben seinen Jagdhunden der heilige Leopold. (1)
Die Anfänge der Besiedelung des Gebietes um Klosterneuburg reichen weit zurück. Die Venus von Langenzersdorf ist ca. 6000 Jahre alt und bezeugt die Verehrung einer lokalen Landschaftsgöttin, deren Fundort am Bisamberg, auf der anderen Seite der Donau, nördlich von Klosterneuburg liegt.
Die Gründung des Klosters geht auf eine Schleierlegende zurück, die jedoch erst 300 Jahre nach dem Tod der Markgräfin Agnes entstanden sein soll.(2) Schleierlegenden sind nach Anton Mailly Rechtssagen, der Schleier wurde bewusst am Bauplatz niedergelegt, als eine Rechtshandlung. Es gibt diese Sagen auch von Straden und von Göß in der Steiermark, vom Kloster Frauenroth in Bayern, von Assisi in Italien, sowie von Chartre in Frankreich. Ein weißer Brautschleier hatte hohe Symbolbedeutung, sowie magische Kraft. Er wurde der Braut in Bulgarien nach der Hochzeit unter einem fruchtbaren Apfelbaum abgenommen. Das Waschen der weißen Nebel-Schleier gehört zu Göttinnen, die nach ältesten Vorstellungen die Naturelemente selbst verkörperten.
Markgräfin Agnes mit dem Schleier / Bild im Stift Klosterneuburg
Die christliche Symbolsprache führte in Klosterneuburg eine Ortstradition
weiter, die auf die Verehrung einer Muttergöttin basierte und vor allem weibliche Themenbereiche umfasste. Das Hauptaltarbild im Stift zeigt die Geburt von Maria, am Seitenaltar sehen wir ihre
Mutter Anna, die sich um die Ausbildung ihrer Tochter kümmert. Eine ergötzende Darstellung, wo doch das Lesen in Büchern, Frauen früher nur selten gewährt wurde.