Hrastovlje

Blick auf die Umgebung der Wehrkirche von Hrastovlje

 

Hrastovlje im Rizana Tal befindet sich im slowenischen Teil Istriens

 

Eine Reisebeschreibung von 1878 wirbt mit einem Ausflug nach dem nahen Risano-Thale, wegen der wohlbebauten Aecker, üppigen Wiesen und schönen Baumgruppen zu beiden Seiten des Flusses, an welchem 30 Mahlmühlen und viele Säge- und Schmiedewerkstätten Zeugnis von der Regsamkeit der Bewohner geben. Die Rizana entspringt einer Karstquelle unterhalb von Hrastovlje und mündet bei Koper ins Meer.

 

Hrastovlje ist heute ein kleines, abgelegenes Bauerndorf mit fruchtbaren Wein- und Gemüsegärten. Es wird von Touristen wegen der sehenswerten Kirche besucht, die als eines der bedeutendsten Kulturdenkmäler Sloweniens gilt. Im 12. Jhd. wurde sie zur Gänze mit Fresken von Johannes von Kastav ausgemalt und im 16. Jhd. mit einer Wehrmauer zum Schutz vor den Türkenangriffen umgeben.

 

Der Platz auf dem die Kirche steht, war schon in vorchristlicher Zeit bedeutsam für die Menschen des Tales und vermutlich ein Ort für jahreszeitliche Feste und Rituale mit Tanz, Gebet und Gesang. Ein Lochstein beim Eingang auf der linken Seite der Wehrmauer, ist ein beeindruckendes Zeugnis für den Steinkult früherer Kulturen, die ihre Hände in die Steinlöcher legten, um sich mit den göttlichen Kräften des Ortes zu verbinden.  

 

 Lochstein an der Außenmauer der Wehrkirche

 

 Der slowenische Bildhauer Marco Pogacnik erspürte in den Steinöffnungen eine solare und eine lunare Schwingung. Nach seinen Forschungen hat der hier eingemauerte Stein jedoch heute seine Bedeutung verloren, weil er sich nicht mehr an seinem ursprünglichen Platz befindet.1

 

 Die Dreigestaltige Göttin

 

Marco Pogacnik hat sich intensiv mit den Fresken in der Kirche auseinander gesetzt und herausgefunden, dass die Bildsprache der christlichen Kultur hier einen Jahreszyklus der dreifachen Göttin darstellt. Im Osten sitzt die weiße Göttin des Lebens und der allumfassenden Ganzheit auf einem Thron, der mit Pflanzenmotiven verziert ist. Die rote, mütterliche Göttin ist als Eva dargestellt und die schwarze Göttin der Wandlung als eine den Tod bringende Skelettfrau.

 

 Stillende Eva mit Spindel

 Fresken in Hrastovlje

 

 In den romanischen Sprachen ist der Tod weiblich und wird oft als alte Frau beschrieben, die in Kärnten „die Tödin“ mundartlich „die Teadin“ genannt wurde. Im Mittelalter galt der Tod jedoch schon als männlich. In Frankreich hieß er Macabre, der Herr des Todes, der grimmige Schnitter, der bei Mysterienspielen und Volksfesten tanzte, um die Menschen daran zu erinnern, dass der Tanz des Lebens auch ein Totentanz sei.

 

In  jedem Land wird die regionale Göttin anders wahrgenommen und mit unterschiedlichen Namen benannt. Slowenien kennt, so wie in Österreich, eine Frau Berchta, die ein ungemein starkes, wüstes Weib sein soll. Anton von Mailly schreibt: Perht, in Oberkrain bekannt als Pechtra Baba, in der Friauler Gegend als Perta, auf dem Istrianer Karst als Wechtra Baba. Perht zeigt sich bei den Slowenen vor allem als Vegetationsdämon. Sie gilt als ungemein starkes und wüstes Weib, wohnt in Hainen und Schluchten, im Sommer auch in den Tiefen der Seen. Im Winter zieht sie sich in das Innere der Berge zurück und erzeugt den Schnee, den sogenannten Weiberbrei, slowenisch Kasa. Sie spinnt auch im Winter und segnet daher die Herden jener Hirten, die ihr im Sommer Flachs bringen. Oft sehen sie die Hirten in der Dämmerung über die höchsten Abhänge gehen, mit einer goldenen Spindel oder einer Wanne, auch auf einer Kuh reitend. Als Regen und Fruchtbarkeit spendend wird sie angerufen in den Fersen:

 „Wechtra Baba gib uns Regen

 Wir geben dir Flachs ein dickes Bund!

 Gib Weizen, meinem Kühlein Gras.“

 Wechtra baba daj psenice; Moj kravicki tracice!

 

Die Wechtra Baba war die Regen, Schnee, Wachstum und Fruchtbarkeit spendende Göttin in Istrien, die durch die Christianisierung in mehrere Frauengestalten aufgespalten wurde. Eva, die Frau Adams ist auf den Fresken in Hrastovlje als nährende Erdmutter dargestellt, die zwei Kinder gleichzeitig stillt. Als Schicksalsfrau hält sie die Spindel und den Lebensfaden in ihrer Hand, der Tonkrug und der Kessel weisen auf ihre Nahrung spendenden Eigenschaften.

 

 

Heilige Barbara auf Fresken in Hrastovlje

 

Die Gottesmutter Maria sitzt mit dem Jesuskind auf einem Thron, die heilige Barbara, deren Name ähnlich klingt wie „Baba“, hält behutsam einen Turm in ihren Händen.

 

 

Etwas außerhalb von Hrastovlje steht die Skulptur einer riesigen Stein Frau, deren sanfter Blick mit einem Auge auf Hrastovlje, mit dem anderen in weite Ferne gerichtet ist.  

 

1 Marco Pogacnik, Die Landschaft der Göttin, Eugen Diederichs Verlag, München 1993

 

 

 

 

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