Wilder Mann

 

Im Wilden Mann verkörpert sich zweifellos die Kraft der Natur

in ihrer Fruchtbarkeit, Ungezähmtheit, Fremdheit.

In ihm steckt uranfängliches,

vielleicht auch die Vorstellung von sagenhaften Vorbewohnern.

Er hat Teil an den Geheimnissen der Natur,

kann Weisheitsregeln geben, heilen.

Er kennt die Pflanzensäfte

und kann deshalb sogar in der Rolle des Arztes auftreten.

Richard Wolfram 1

 

Der Wilde Mann in Salzburg

 

Ein beliebtes Fotomotiv in der Stadt Salzburg, ist der urige, mit Blättern bekleidete Wilde Mann. In der rechten Hand hält er ein Bäumchen mit frischen Trieben, in seiner Linken das Wappen von Salzburg. Früher soll er am Brunn am alten Vischmarkt gestanden sein, heute können wir ihn gegenüber dem Festspielhaus, in der Hofstallgasse, bewundern. 

 

 

Als grüner Mann, Grüner Georg, Sveti Juri, oder Jack in the Green, hat er einen Bezug zu den Wachstumszyklen der Natur. Er galt matriarchalen Kulturen als die männliche befruchtende Kraft und verkörperte den Heroskönig der Erdmutter. Der heiligen Hochzeit im Frühling folgte sein ritueller Tod im Herbst. Das weist auf den tieferen Sinn der Wilde Mann Spiele, die es einst in ganz Europa gab. Im Mittelalter galt er als Schutzpatron von Burgen und Brunnen, er wurde auf Wappen, Wandteppichen, in Kirchen und Eingangstoren dargestellt.

 

In Salzburg erzählt nun eine rätselhafte Sage vom Wilden Mann, dass er sich am Karfreitag um die Mittagszeit umdrehe, was jedoch niemand wirklich sehen konnte. Doch das weist auf den Rhythmus der Jahreszeiten und auf die Wandlungskraft der Natur. Der Wilde Mann im grünen Kleid hat seinen Auftritt zur Frühlingszeit, da erscheint er. 

 

In Ptui in Slowenien bringt der Sveti Juri, ein in Grün und Efeu gekleideter Junge beim Frühlingsrundgang am 23. und 24. April Fruchtbarkeit, er schützt die Pferde und das Vieh und bewahrt vor Schlangen, er kämpft mit dem Rabolj der den Winter darstellt.

 

Sveti Juri Ptuij Slowenien

Sveti Juri und Rabolj in Ptuji

 

In Südtirol, an der Außenmauer der Kirche von Meransen, bewunderte ich ein riesiges  Christopherus Fresko, wo der Heilige wie ein Nachfolger des Wilden Mannes, der früher den Wald und die Natur verkörperte, wirkt.

 

Unter seinem braunen Mantel trägt er eine Kette mit schwarzen Zwiebelknollen, das ist sehr aussagekräftig, denn sie sehen wie wachstumsbereite Samenkapseln aus. Das weist auf die vielen Sagen von den Botschaften des Wilden Mannes, die vor allem in Tirol, Südtirol und in Kärnten verbreitet sind. Sein guter Rat erfolgt meist im Frühling, da taucht er unerwartet auf und ruft den Bauern die günstigste Zeit zur Aussaat der Pflanzen zu:

 

Mandeler baut, Weibeler haut!

 

Vor langer Zeit, da das Sterzinger Moos noch ein giftiger Sumpf und der Weg über den Jaufen ein steiniger Saumpfad waren, lebte in den unwirtlichen Wäldern zwischen dem Platschjoch und Kalch der Wilde Mann. Er war ein Riese an Gestalt und besaß die Kräfte von zwölf Bären. Die Menschen und ihre Nähe mied er nach Möglichkeit, war ihnen jedoch gut gesinnt. War der Winter endgültig vorbei, stieg er aufs Joch und rief den Bauern im Tale die Bauzeit zu. 2

 

Heiliger Christopherus an der Außenmauer der Kirche in Meransen

 

In Kärnten gibt der Wilde Mann ebenfalls Rat für die Aussaat Tage: Jeden Herbst einmal soll der wilde Mann zum Oberraucher ob Tultschnig Grammeln holen gekommen sein. Er erschien jedesmal, wenn die Bäuerin Fett zuließ. Dann rief er: „Bäuerin gib mir Graupen!“ Weil er immer was erhielt, zeigte er sich dankbar. Wenn ein Gewitter im Anzug war, rief er: „Wagen unter Dach!“ Auch sagte er dem Bauer immer an, wann er Korn schneiden oder Bohnen setzen sollte. 3

 

 Als Wilder Mann tritt er in einer zottigen Tracht

aus Fell, Bast und grünem Moos auf

und wird von den jungen Frauen und Männern aus dem Wald geholt,

damit die Menschen an der üppigen Wachstumskraft des Waldes teilhaben

Heide Göttner-Abendroth 4

 

Gregorispiel in Kortsch, der Wilde Mann wird von Mädchen gefesselt

 

Wenn nach altem Brauch der Winter ausgetrieben wurde, holte man sich im Frühling das neue Wachstum, das ein  Baum symbolisierte, ins Dorf. In Kortsch im Vinschgau führten dies Mädchen aus, die beim Gregorispiel einen moosbärtigen wilden Mann, der eine junge entwurzelte Fichte trug, an bunten Bändern gefesselt ins Dorf führten.

 

Egetmann Umzug in Südtirol

 

Der Wilde Mann und die Maibraut gehören zusammen, er wirbt um das Weibliche, um es zu befruchten. Sehenswertes dazu sah ich in Tramin in Südtirol, dort gibt es einen sehr alten Fasnachtsbrauch, der in ungeraden Jahren aufgeführt wird. Im Museum des Ortes ist der Wilde Mann, der früher eine Hasenfell Maske und ein Gewand aus Efeu trug, als eine der ältesten Figuren des Umzuges dargestellt.

 

  

 

Quellenangaben:

1 - R. Wolfram, Studien zur älteren Schweizer Volkskultur, Verlag der österreichischen Akademie der Wissenschaften, Wien 1980

2 - Hans Fink, Eisacktaler Sagen, Bräuche und Ausdrücke, Schlern Schriften Universitätsverlag Wagner, Innsbruck 1957,  S 44/45

3 - Georg Graber, Sagen und Märchen aus Kärnten, Leykam-Verlag, Graz 1944, S 185

4 - Heide Göttner-Abendroth, Symbolik von Erde und Kosmos, Christel Göttert Verlag 2023, S 121

5 -R. Wolfram, Studien zur älteren Schweizer Volkskultur, Verlag der österreichischen Akademie der Wissenschaften, Wien 1980,1939 letzte Aufführung, wilder Mann wird von Mädchen an Bändern ins Dorf geführt  

 

 

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