
Herrscherinnen über die Naturkräfte,
Verehrung und kleine Opfergaben beanspruchend,
die Nacht und die Wildnis der Berge in ihrem Besitz,
konnten sie diese furchtlos durchstreifen.
Nicht den Beschränkungen unterworfen, die Frauen auferlegt waren,
deckten sie diese Begrenztheit weiblicher Lebensmuster
allein durch ihr Anderssein auf.
Ihr Haar lang und offen
ihre ungebundene Lebensweise, ein himmlisches Versprechen.
Nicht gedrückt und gegängelt wie die Menschenfrauen,
stellen sie jenen Bedingungen, die ihre Liebe besitzen.
Ihre Erscheinung ist immer überraschend
und ihr Verschwinden geheimnisvoll.
Sie wissen um das was kommt,
treffen aber keine Vorkehrungen für die Zukunft zu sorgen.
Einem Leben des Augenblicks und der Freiheit ergeben,
ziehen sie in Bildern von unwirklicher Wolkigkeit über Felsen und Berge,
nachts mit Schellengeläut durch den Wald.
Gertraud Steiner Wunderkammer Hohe Tauern.
Der reichhaltige Sagenschatz der Wildfrauen im Alpenraum berührt uns heute auf ungeahnte Weise. Wir erfahren von der Weisheit und den Werten, von der Hilfsbereitschaft und dem umsichtigen Wirtschaften dieser geheimnisumwobenen weiblichen Wesen. Den Erzählungen und Sagen zu lauschen, fasziniert und stärkt uns Frauen. Sie machen uns Mut, unseren Familien, oder einer sozialen Gemeinschaft in Liebe zu dienen und selbst doch Eigensinnig, Wild und Frei zu sein.
Namen der Wildfrauen
Wilde Weiber Salafrauen Zalik Zene, Salkweiber, Hadische Jungfrauen, Bergfräulein, Hadachweiber, Mosweiblein, Holzweiblein, Weisse Frauen…
Wohnorte
Die Wilden Frauen lebten im Gebirge, verborgen in dichten Wäldern und Höhlen, weit weg von den Dörfern und Bauernhöfen, besaßen prächtige Tierherden, unermessliche Schätze und unterirdische Paläste. Sie erschienen ganz unerwartet aus dichten Nebelschwaden an Wildbächen, Seen und Quellen, sie hinterließen ihre Fußspuren bei uralten Steinen oder in dunklen Höhlen.
Die Magie der Wildfrauen
Ihre magischen Handlungen, begleitet von rhythmischen Sprüchen, Tanz und Gesang waren sehr wirkungsvoll. Sie bezogen sich auf die Verehrung einer lokalen Landschaftsgöttin, deren Feste sie im Jahreskreislauf feierten. Als Kräuter kundige Frauen halfen sie bei Geburten und tauften Kinder, sie kannten Heilmittel bei schweren Krankheiten und spendeten am Sterbebett Hilfe und Trost.
Die Erzählungen von den Wildfrauen weisen auf eine alteuropäische, mutterrechtlich organisierte Kultur der Jungsteinzeit, wo Frauen Land besaßen und dieses als Bäuerinnen und Hirtinnen erfolgreich bewirtschafteten. Nachfolgende Siedler stahlen ihr Land und zerstörten ihre Kultur.
Gerne hätte ich wenigstens Eine von ihnen kennengelernt, sie könnte eine meiner Lungauer Ahninnen gewesen sein….
Auf den Bergriesen, die rings um den Zederhauswinkel stehen, lassen sich nicht selten Wildfrauen sehen. Der Volksmund nennt sie die Bergfräulein und sie sollen goldblondes Haar tragen und ihre Kleidung soll aus himmelblauen Tüchern bestehen, so daß man sie, wenn sie auf den Bergspitzen sitzen, für ein Stück Himmel mit der darüber stehenden Sonne hält. Sie sind gar leutselig und freundlich und helfen den Landleuten wo sie können, besonders im Umgang mit dem Vieh wissen sie Bescheid.
Karl Adrian, Alte Sagen aus dem Salzburger Land, S 102
Die Fürsorge der Wildfrauen galt dem Gleichgewicht der Natur, sie förderten das Wachstum der Pflanzenwelt und beschützten die Tiere des Waldes. Sie belohnten ehrliche Menschen mit gutem Rat und halfen auf den Bauernhöfen der späteren Siedler, die schwere Arbeit zu bewältigen. Wer sich ihrer Mithilfe erfreute, konnte sich glücklich schätzen, denn sie brachten Wohlstand und Segen ins Haus. Den Namen ihrer geheimnisvollen Helferin erfuhren die Hofleute oft erst, wenn diese von ihrer Familie heimgerufen wurde. Sie gehörte zu den Wildleuten, zum sogenannten „kleinen Volk“, deren Sippen im gesamten Alpenraum in Rückzugsorten lebten.
Wetter kundige Wildfrauen
Mit den Sagen vom Wäsche waschen der Wildfrauen und dem Aufhängen, verbindet sich Magie, die Wildfrauen kündigten damit schönes oder schlechtes Wetter an.
Im Ötztal, in Gamitzlöck sagten die Wilden Frauen das Wetter des kommenden Jahres voraus, sie wohnten in den Fräuleinlöchern. Im Stubaital waren es die Schneefräulein, die sich auf den hintersten Almen um das Almvieh sorgten. Sie rieten den Hirten zu früherer Abfahrt, wenn große Schneewetter drohten.
Die Wildfrauen hatten einen Bezug zum Getreide, sie kannten den richtigen Zeitpunkt für Anbau und Ernte, sie rieten den nachkommenden Siedlern die passenden Tage zur Aussaat, oder zur frühzeitigen Ernte, wenn Frost bevorstand. Sie halfen beim Jäten des Unkrauts im Getreide und sprachen magische Formeln beim Ernten. Bohnen und Gemüse bei noch frostigem Boden auszusäen, führte nach ihrem Rat zu üppigen Erträgen.
im Rosental am rechten Ufer der Drau zwischen dem Felsenschloß Hollenburg und Feistritz in Kärnten liegt ein Sumpf, genannt das Weizelsdorfer Moos. Hier hausten einst wilde Weiber, die aber ganz nach menschlicher Art wirtschafteten; nur ihre Wohnorte waren von denen der Landleute abgeschlossen. Diese Wesen waren den Menschen gemeiniglich nicht gram und verkündeten singend, welche Art Getreide in jeglichem Jahr vorzüglich gedeihen werde.
Theodor Vernaleken, Alpensagen, Verlag für Sammler Graz 1993, S 202
Die Hilfsbereitschaft der Wildfrauen
Die Wildfrauen buken selbst Brot und verschenkten dieses auch, wenn jemand Hunger litt, oder darum bat. Sie halfen überlasteten Bäuerinnen beim Backen, sowie bei der Haus- Stall- und Feldarbeit. In Tirol rät eine Salige bevor sie den Hof verläßt:
„Braun boch`n, Wohl gschmoch`n.
Woacher Toag, guats Broad.“
Nebenbei verstanden sie sich auf die Herstellung von gutem Käse aus verdorbenen Milchresten. Selige Gitschen misteten Stallungen aus, sie streuten den Rindern frisches Stroh konnten, sich aber nicht an den Klang geweihter Kirchenglocken gewöhnen. In Bergbaugebieten zeigten sie den Knappen die Stellen an denen Erz, Silber, Gold oder etwa Wasserquellen aufzuspüren waren; sie fanden auch das salzhaltige Gestein.
Hans Fink, S 16, Salige und Unholde, Athesia Verlag 1996
Schamanische Wiederbelebung
In Kärnten / Pisweg holten die wilden Frauen vom Jaunegger ein Schaf, dem sie die Haut abzogen und das Fleisch bis auf die Knochen abschabten und sie wieder zusammen fügten. Sie streiften dem Tier das Fell über und gaben es lebendig und unversehrt, dem Bauern zurück. Eine ähnliche Sage wird auch in Hallein vom Dürnberg, sowie in der Rauris erzählt. Im Pinzgau erbat sich eine Wilde Frau als Lohn für ihre Arbeit am Bauernhof einen schwarzen Widder, den sie am Ende ihrer Dienstzeit auch mitnahm. (Orte im Bundesland Salzburg)
Gebote und Regeln die einzuhalten sind
Die Wildfrauen lebten nach strengen Regeln, die ihre Unabhängigkeit und Würde wahrten. Sie heirateten Bauernsöhne der späteren Siedler, stellten jedoch klare Anforderungen: Schläge, Beleidigungen oder Beschimpfungen wurden von ihnen nicht toleriert und führten meist dazu, dass sie für immer den Hof und die Familie des Mannes verließen.
Obwohl sie Geschenke annahmen, verlangten sie keinen Lohn, um ihre Selbstständigkeit zu bewahren. Ein Geschenk zu empfangen, war gleichbedeutend mit einer Verpflichtung, eine Bindung einzugehen. So behielten sie die Kontrolle über ihre Beziehungen und bewahrten ihre eigene Stärke und Freiheit.
Die Wildfrauen als Kulturbringerinnen
In der Region Südtirol wird eine besondere Kunst erwähnt, die einst nur von den „seligen Gitschen“ (Mädchen) beherrscht wurde: die Durchbohrung langer Föhrenstämme, um sie als Wasserleitungsrohre zu nutzen. Diese Kunstfertigkeit zeigt nicht nur technisches Können, sondern auch eine tiefe Verbundenheit mit der Natur und deren Ressourcen.
In Bergbaugebieten wiesen die Wildfrauen den Knappen die Stellen aus, an denen wertvolle Ressourcen wie Erz, Silber und Gold zu finden waren. Ihre Fähigkeit, auch Wasserquellen und salzhaltiges Gestein zu entdecken, unterstreicht ihre Bedeutung als Wissenshüterinnen. Sie hatten ein besonderes Gespür für das, was unter der Erde verborgen lag.
Die Wildfrauen waren als eine Art Vermittlerinnen zwischen der Göttin und den Menschen anerkannt. Ihre Rolle als Kulturbringerinnen, die in Harmonie mit der Natur lebten und diese bewahrten, lässt sich als Ausdruck ihrer fortschrittlichen Gesellschaft betrachten, in der die Weisheit und das Wissen der Frauen nicht nur geschätzt, sondern aktiv genutzt wurde. Das bietet uns heute wertvolle Anregungen für eine Gesellschaft der Zukunft.
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